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Entwicklungszusammenarbeit – Erfahrungen von Dr. Rathgeber

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In einem Interview spricht Theodor Rathgeber, Vorstand des Instituts für Interkulturelle Kompetenz und Didaktik e.V. (IIKD), über seine Erfahrungen in der Entwicklungszusammenarbeit und wie man den Alltag von Entwicklungshelfern erleichtern könnte.

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Was genau sind Ihre Aufgaben als Gutachter für internationale Beziehungen, Menschenrechte und Entwicklungspolitik?

Zu meinen Aufgaben gehört es, Projekte zu evaluieren, zum Beispiel über Caritas, Brot für die Welt etc., Sitzungen der Gremien der Vereinten Nation zu beurteilen- deshalb halte ich mich beruflich öfters in Genf auf- eigene Konferenzen zum Thema Menschenrechte und Indigene Völker zu organisieren u.a.m..

Warum liegt ihr Schwerpunkt auf Kolumbien, Bolivien, Peru, Guatemala, Indien, Indonesien und Russland?

Ich machte erste sehr prägende Begegnung bereits während meiner Studienzeit an der Uni Tübingen mit Flüchtlingen aus Südamerika (Argentinien, Uruguay und Chile). Mich beeindruckte ihre Lebensfreude, trotz der schlimmen Dinge, die viele dieser Leute erlebt hatten. Nach dem Studium erhielt ich ein Stipendium für meine Doktorarbeit, mit dem ich zwei Jahre in Kolumbien verbrachte um Datenmaterial in Interviews zu sammeln. Es folgten später längere Aufenthalte u.a. in indischen Slums und bei den Adivasi (Ureinwohner / erste Siedler Indiens). Für mich als Europäer war es besonders spannend zu erleben, welche Bedeutung kulturelle Rituale in der Gesellschaft haben, und dass Geld selbst in ärmsten Verhältnissen nicht immer diese zentrale Rolle spielt, wie wir das aus unseren europäischen Lebensverhältnisse so oft erleben.

Wo ist die Situation der Menschenrechte am kritischsten?

In Kolumbien ist es sehr problematisch, die Arbeit von Menschenrechtlern sehr riskant. Sie werden oftmals sogar mit dem Tode bedroht. In Guatemala ist die Kriminalität eins der größten Probleme des Landes, weil die politische Befriedung nach dem Bürgerkrieg nicht gelang. Es gibt ein organisiertes kriminelles Milieu, das Wurzeln bis in das politische Establishment aufweist. Die Strafverfolgung ist wenig wirksam, engagierte Staatsanwälte mussten fliehen. Auch in Russland werden prominente Menschenrechtler umgebracht. Ebenso werden insbesondere die organisierten Mütter von Soldatenopfern immer wieder bedroht. Wenngleich nicht unmittelbar lebensbedrohlich, kommt es bei Projekten wie der Erschließung von Naturgebieten zu Schikanen für diejenigen, die Kritik äußern und auf hergebrachten Nutzungsrechten beim Wald oder beim Gewässer beharren.

Warum gehen Projekte schief?

Da spielen nicht zuletzt viele unrealistische Erwartungen an Zeithorizonte und auch unterschiedliche Auffassungen von Zeit eine Rolle. Die Frage, was konkret erreicht werden soll, ist manchmal nur schwer zu beantworten, da unterschiedliche Interessen nicht sensibel genug in Sprache und Verhandlungsmethodik umgesetzt werden. Die Entwicklungszusammenarbeit in Deutschland will in der Regel recht schnell erste Resultate sehen, während z.B. indigene Völker auf partnerschaftlichen Absprachen bestehen – die Zeit kosten – und sich durchaus auch sträuben, nur zu funktionieren. Sie ziehen es immer noch vor, zu arbeiten um zu leben, was dann Pausen wie die traditionelle Siesta beinhaltet oder sich Zeit zu nehmen, um die Dorfgemeinschaft zu pflegen. Da dies in unserer konkreten Sozialisation eine immer geringere Rolle spielt, fehlt uns diese Erfahrung und insofern das praktische Verständnis für solche Anliegen und Bedürfnisse.

Was kann man dagegen tun, damit Projekte nicht scheitern?

Es würde helfen, Entwicklungshelfer und –helferinnen verstärkt in fallnahen Szenarien, zum Beispiel durch Rollenspiele, auf ihre Erfahrungen im Auslandseinsatz vorzubereiten. Hier würden wir Vertragsverhandlungen proben, in denen z.B. Vertreter / Vertreterinnen deutscher Durchführungsorganisationen in der Entwicklungszusammenarbeit und solcher von Minderheiten oder indigenen Völkern auftreten. So könnten im Vorhinein emotionale Erfahrungen gesammelt werden, die helfen, die Situation später umfassender einschätzen zu können. Wir sollten auch deutlich mehr Wert auf die Fortbildung der inneren Einstellung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen legen. Ich kann aus meiner eigenen Erfahrung sagen, dass das Zugeständnis an mich selbst, Fehler machen zu können, sie allerdings auch einzugestehen und offen zu sein für Kritik und Selbstkritik, einfach entlastend ist. Manchmal hilft es dann auch anderen, aus ihrem Panzer herauszukommen und dann steht einer gelingenden Zusammenarbeit selten etwas im Wege.

Warum wird das nicht gemacht?

Die innere Haltung von Teilnehmenden an Fortbildungsmaßnahmen anzusprechen, ist nicht einfach. Es braucht Zeit und einen speziellen Rahmen dazu. Dies etwa an einem Wochenende leisten zu wollen, überfordert in der Regel beide Seiten.

Wäre es nicht sinnvoll im Voraus z. B. in Trainings oder Seminare zur Prävention von Konflikten zu investieren?

Durchaus. Leider sind Seminare von ihrer Methodik her oft zu theoretisch angelegt, obwohl sie sich natürlich durchaus eignen, um Schwachstellen erkennen zu können und für kritische Situationen zu sensibilisieren. Der Schritt vom Erkennen zum Erfahren kommt jedoch oft zu kurz. Für die praktische Erfahrung wären eben die erwähnten Rollenspiele zahlreicher anzuwenden.

Kassel, den 16. März 2009

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